Die braune Tradition der Esoterik

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Eine wenig bekannte Traditionslinie des deutschen Faschismus ist die Verbindung zur Esoterik. Diese Linie lässt sich bis in die  Romantik zurückverfolgen. Die Romantik hatte am Anfang des 19. Jahrhunderts in Deutschland ihre Hochzeit.  In Abkehr von der Klassik und vor allem der Aufklärung beschrieben Schriftsteller eine geheime Erlebniswelt im Inneren, die sich nach ihrer Vorstellung in der Natur spiegelte. Daraus ergab sich die Vorstellung, dass es eine besondere germanische Glaubenswelt gibt, die wiederentdeckt und neu belebt werden sollte. Mit der Industrialisierung und der damit verbundenen Verarmung großer Teile der Bevölkerung wuchsen Bewegungen, die die Schuld an der gesellschaftlichen Situation den Juden zuschrieben. Die ab Mitte des 19. Jahrhunderts erstarkte antisemitische Bewegung legte großen Wert auf die Feststellung, dass ihr Antisemitismus, im Gegensatz zum früheren  Antijudaismus, die religiöse Argumentation nicht mehr brauchten. Jüdisch war man nach dieser Zuschreibung, wenn man `jüdisches Blut´ habe. In dieser Argumentation war es dann auch wichtig, zu betonen, dass nur Menschen mit sogenannten germanischen, oder arischen Wurzeln hier leben dürfen. Um diese rassistischen  Thesen untermauern zu können, entstanden Vereine, die sich mit Religion und Kultur der Germanen beschäftigten. Damit war die Grundlage der völkischen Ideologie geschaffen.

Viele esoterische Gruppen, lassen sich auf die Theosophische Gesellschaft zurückführen. Sie wurde von der Russin Helena Blavatsky und dem Amerikaner Henry Steel Olcott 1875 in Amerika gegründet. Sie gingen davon aus, dass es eine gemeinsame Essenz aller Religionen gibt und sich Gott in allen offenbart. 1873 zogen die beiden nach Indien und verlegten den Sitz der Gesellschaft in die indische Stadt Adyar. Von der Theosophie haben sich im Laufe der Jahre mehrere Gruppen abgespaltet. Die beiden wichtigsten waren die aus der Theosophie entstandene Anthroposophie und die Ariosophie.  Ein Teil der deutschen und österreichischen Mitglieder geriet durch die Zuwendung der Gesellschaft zum Hinduismus und Buddhismus immer mehr in die Opposition. Sie versuchten, wie Guido List und Jörg Lanz von Liebenfels, in Artikeln und Büchern eine rassistische Glaubensgruppe zu etablieren. Jörg Lanz von Liebenfels gründete 1905 die Zeitschrift „Ostara“. Die Religionswissenschaftlerin Stefanie von Schnurbein zitiert in ihrem Buch „Göttertrost in Wendezeiten“ eine Programmatik, die in der Ostara Nr. 24 abgedruckt wurde. Die „einzige und erste rassenwirtschaftliche Zeitschrift, die die Ergebnisse der Anthropologie praktisch in Anwendung bringen will, um den Umsturz und das Urrassentum wissenschaftlich zu bekämpfen und die europäische Edelrasse durch Reinzucht vom Untergang zu bewahren“ (S. 36) Die Ostara Hefte haben wesentlich zur Verbreitung der rassistischen Ideen beigetragen. Lanz von Liebenfels war es auch, der 1915 in einem Artikel den Begriff der „Ariosophie“ prägte. Dadurch war die Trennung von der Theosophie vollzogen. Die Historikerin Brigitte Hamann hat in ihrem 1996 erschienen Buch „Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators“ geschrieben, dass Hitler in seiner Wiener Zeit immer wieder die Ostara Zeitschrift gelesen hat. Ein enger Freund von Lanz von Liebenfels war Guido List. Nach einer Augenkrankheit, die ihn zeitweise erblinden ließ, glaubte er sich an frühere Leben zu erinnern. Er behauptete durch „Schauungen“ den Ursprung und die wahre Bedeutung der Runen gefunden zu haben. Aus den Runen sollen sich nach List auch die Sprachen entwickelt haben.

Sein erstes Buch, dass er nach diesen „Schauungen“ veröffentlicht hat, legte er 1903 der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien vor. Die Akademie hat auf die Schrift von List nie reagiert. Es hat auch nicht zum Erfolg geführt, als 15 „Honoratioren“ (Grünbein) einen Apell an die Akademie unterzeichneten. Dadurch wurden seine Thesen aber einem größeren Kreis bekannt.  Um ihn zu unterstützen gründeten seine Unterstützer 1908 die Guido von List-Gesellschaft, die auch seine Schriften herausgab. Zu den Unterstützern gehörte nicht nur Lanz von Liebenfels, sondern auch der Industrielle Friedrich Wannieck und Wiens Altbürgermeister Josef Neumaier und sein Nachfolger Karl Lueger. Heinrich Mann beschrieb das politische Klima in Wien zur Zeit Luegers in seinem autobiographischem Buch „Ein Zeitalter wird besichtigt“: „Der Antisemitismus, dieser steckengebliebene Sozialismus des `dummen Kerls von Wien´, wie man zur Zeit des Bürgermeisters Lueger sagte, ist endlich doch die ganze – die ganze – geistige Grundlage einer versuchten Welteroberung geworden.“ Guido von List gründete 1911, mit großzügigen Spenden ausgestattet, den Hohen-Armanen Orden. Nach der Überzeugung Lists waren die Armanen die letzten Priester der Germanen. Bereits ein Jahr davor hatte Philipp Stauff,  der ein Jahr später Präsident der Guido von List Gesellschaft wurde, zusammen mit anderen Theosophen beschlossen eine Gruppe gegen die angebliche jüdische Weltverschwörung, zu gründen. 1912 wurde dann  der Germanen-Orden gegründet, der in seiner Satzung festschrieb, dass nur Personen mit „germanischer Abstammung“ Mitglied werden dürfen. Die Mitglieder des Germanen-Ordens waren eng mit dem Reichshammerbund verbunden. Der Bund war 1912 in Leipzig von dem antisemitischen Schriftsteller und Verleger Theodor Fritsch gegründet worden. Er gab die Zeitschrift „Der Hammer“ heraus. 1919 schlossen sich viele völkische und antisemitische Gruppen zusammen und gründeten den Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund.  Nach dem Mord an dem Politiker und  Außenminister Rathenau wurde der Schutzbund wegen seiner offensichtlichen Beteiligung an dem Mord in vielen Ländern verboten. Viele ihrer  Mitglieder traten später der NSDAP bei. Eng mit der ariosophischen Bewegung ist auch der Name Rudolf von Sebottendorff. Er wurde 1916 Mitglied des Germanen-Orden und gründete 1918 mit der Thule Gesellschaft eine eigene Organisation. Ebenfalls 1918 kaufte er die Zeitung Münchner Beobachter und Sportblatt. Im August 1919 änderte er den Namen der Zeitung in Völkischen Beobachter. Bereits ein Jahr später musste er die Zeitung wegen finanzieller Probleme an Dietrich Eckart verkaufen, der dann die Parteizeitung der NSDAP daraus machte. Die Thule Gesellschaft war Treffpunkt später führender Nationalsozialisten wie Rudolf Hess und Alfred Rosenberg.

In der frühen Phase der NSDAP spielten Mitglieder ariosophischer Gruppen zwar eine wichtige Rolle. Sie wurden aber ab Ende der zwanziger Jahre an den Rand gedrängt.  Hitler machte sich in seinem Buch „Mein Kampf“ sogar über sie lustig. Nach der Machtübertragung wurden die ariosophischen Organisationen, zusammen mit anderen Gruppen, zu „staatsfeindlichen Sekten“ erklärt. 1937 wurden die kleinen religiösen Gruppen, darunter auch die ariosophischen, verboten. Obwohl sie jetzt in der Öffentlichkeit nicht mehr in Erscheinung treten konnten, wurden einzelne ihrer Vertreter weiter gefördert.  Heinrich Himmler, ein überzeugter Anhänger der Ariosophie holte viele in die SS. Er schuf mit dem Ahnenerbe eine eigene Abteilung, in der sie Unterschlupf fanden. Himmler wollte aus der SS einen Orden schaffen, der nach der Unterwerfung der Welt, die offizielle religiöse Organisation in Deutschland sein  sollte. Nach diesen Plänen sollten die christlichen Kirchen dann verboten werden. Himmler schuf in der Wewelsburg einen ersten Ort des geplanten Kultus.  Zentral in der Wewelsburg, die von KZ-Häftlingen umgebaut worden war, ist ein großer Saal, in dessen Mitte ein „Schwarze Sonne“ eingelassen ist. Dieses Symbol wird seit Jahren von Nazis als Ersatz für das Hakenkreuz genutzt.

Einen weiteren Unterschlupf bot Rudolf Hess. Vor seinem Flug nach Schottland 1941 ließ er sich von drei Astrologen die Sterne deuten. Er wollte sicher sein, dass sein Vorhaben mit England Verhandlungen über einen Waffenstillstand mit Deutschland zu verhandeln, um dann gemeinsam gegen die Sowjetunion zu kämpfen, unter einem guten Stern steht.

Nach dem Flug wurden in ganz Deutschland bekannte Ariosophen und Astrologen verhaftet und teilweise in KZs gebracht.

Nach der Befreiung vom Faschismus gaben sich deswegen die Ariosophen als verfolgt aus und konnten die Gruppen wieder gründen. Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit entstand so ein Netzwerk, in dem die rassistische und faschistische Ideologie der Nazis weiterlebte.  Einige der Gruppen, wie die Arbeitsgemeinschaft naturreligiöser Stämme Europas (ANSE) suchten in den siebziger Jahren die Zusammenarbeit mit der neu entstandenen Esoterikszene. Bis heute lassen sich die Einflüsse dieser Gruppen dort nachweisen.

(Veröffentlicht in der Zeitschrift „antifa“ Ausgabe 6 / 2020

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About Janka Kluge

Seit über vierzig Jahren bin ich in der antifaschistischen Bewegung aktiv. Es ist mittlerweile über dreißig Jahre her, dass ich einen ersten Vortrag über neonazistische Strukturen gehalten habe. Im Laufe der Zeit sind viele Vorträge, Reden auf Kundgebungen und Demonstrationen und Artikel zu dem Thema dazu gekommen. Die meisten davon habe ich in Zeitungen der VVN-BdA veröffentlicht. Im Freien Radio für Stuttgart arbeite ich seit über 25 Jahren mit. in der Folge sind an die 2000 Nachrichten- und Kultursendungen entstanden.