Die Geheimnisse um „Corelli“

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Die Geheimnisse um „Corelli“

Manchmal gibt es Geschichten. Die traut man sich fast gar nicht zu erzählen, weil sie zu unglaubwürdig sind. Die von Thomas Richter, der unter dem Tarnnamen Corelli 18 Jahre für den Bundesverfassungsschutz gearbeitet hat, ist so eine Geschichte.   Unter der Führung des Verfassungsschutzes wurde er einer der führenden Nazis in den neuen Bundesländern. Egal ob eine Kundgebung, oder ein Konzert organisiert wurde, Thomas Richter war mit dabei. Im Laufe der Jahre wurde er so einer der wichtigsten Informanten für den Verfassungsschutz.  Fast 250 000.- Euro hat das Amt direkt an ihn gezahlt, dass er zu einem großen Teil in die Infrastruktur neonazistischer Gruppen gesteckt hat. Obwohl er  schon vor vielen Jahren aus    den Nazistrukturen   aussteigen wollte, ließ ihn das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht gehen. Er war als Informant zu wichtig für sie. Es war ein großer Schock als er 2012 enttarnt wurde und die Presse über ihn berichtete. Nach seiner Enttarnung flog ihn das Bundesamt sofort ins Ausland. Später kam  er in den Zeugenschutz und lebte unter falscher Identität in der Nähe von Paderborn. Im Zusammengang mit den Versuchen, die Morde des NSU-Kerntrios aufzuklären tauchte der Name „Corelli“ immer wieder auf. Er stand auf der Telefonliste die bei der Durchsuchung einer Garage in Jena gefunden wurde. Während der Durchsuchung flüchtete Uwe Mundlos und tauchte zusammen mit Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe unter. Thomas Richter hat später ausgesagt, dass er nicht wisse wie seine Telefonnummer auf die Liste gekommen ist, weil keinen von den Dreien persönlich gekannt hat. Später wurde dann aber eine Notiz gefunden, in der er angab  zumindest einmal mit Uwe Mundlos zusammengetroffen zu sein.

2005 hat  Corelli dem Verfassungsschutz eine DVD mit dem Titel „NSU/NSDAP“ übergeben. Diese DVD war bis zum Februar 2014 in den Archiven des Hamburger Verfassungsschutzes verschwunden. Aussteiger haben berichtet, dass die DVD in hoher Menge innerhalb der rechten Szene verteilt wurde.  Anfang April 2014 informierte dann das Bundeskriminalamt das Bundesamt für Verfassungsschutz, dass die DVD von Corelli übergeben worden sei. Als Mitarbeiter  des Verfassungsschutzes  ihn drei Tage später befragen wollten fanden sie nur noch seine Leiche. Der hinzugezogene Gutachter Werner  Scherbaum kam zu dem Ergebnis, dass er an einer nicht erkannten Diabetes gestorben ist. Jetzt zog der Facharzt für Zuckererkrankungen vor dem Untersuchungsausschuss in Düsseldorf teilweise zurückgenommen. Entgegen seiner bisherigen Darstellung gab er jetzt an, dass ihm nicht klar gewesen sei was für eine Brisanz in seinem Gutachten gelegen ist. Außerdem ist er kein Fachmann für die Wirkung von Giften. Nachdem er sich aber jetzt weiter informiert hat muss er sagen, dass es doch ein Rattengift gibt, dass die selben Todesursachen wie ein Zuckerschock hervorruft. Allerdings geht er weiter von einem natürlichen Tod aus, weil am Bett des Toten Wasserflaschen und Mittel gegen Brechreiz gefunden worden sind.  In seiner Aussage bezog er sich auf eine Studie aus den USA, wonach bei den untersuchten Selbstmorden mit dem Rattengift nur ein Mensch innerhalb eines Tages gestorben ist. Die anderen sind zuerst an Diabetes erkrankt und nach Wochen gestorben. Auf den ersten Blick wurde dann eine nicht erkannte Diabetes als Todesursache angenommen, weil der Zusammenhang mit dem Rattengift nicht mehr offensichtlich war. Die Staatsanwaltschaft hat jetzt angekündigt, dass sie die Ermittlungen neu aufnehmen werde. Als erster Schritt sollen die Leichenasservate, die in der Universität Münster eingelagert sind, untersucht werden.

Zu den Ungereimtheiten zum Fall „Corelli“ gehört auch, dass ein angeblich verschwundenes Handy, das  er vom Amt zur Verfügung gestellt bekommen hat, nun in einem Tresor gefunden wurde. Der Verfassungsschutz hatte zuvor angegeben, dass das Handy verschwunden sei. Nach dem Fund des Handys in den Tiefen des Tresors war zwar das Gerät da, aber nicht die Sim-Karten. Einen Monat später sind jetzt auch 5 Sim-Karten aufgetaucht. Da sie bis jetzt verschollen, oder versteckt, waren konnten ihre Daten weder in den Untersuchungsausschüssen noch im Prozess gegen Beate Zschäpe in München eingebracht werden. Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung, des NDR und WDR sind  darunter  auch die Thomas Richter noch kurz vor seinem Tod benutzt hat.

Es stellt sich wieder einmal mehr die Frage wie dilettantisch das Bundesamt für Verfassungsschutz organisiert ist. Aber vielleicht steckt auch die Angst dahinter, dass die Öffentlichkeit erfährt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz schon vieler früher als sie angeben von den Morden des NSU-Kerntrios gewusst haben. Vielleicht könnte sich aber auch bestätigen, dass Beate Zschäpe  zumindest zeitweise für das Amt gearbeitet hat. Es gibt zumindest Gerüchte, die das seit Jahren thematisieren.  Wenn das zutrifft wäre der Verfassungsschutz viel tiefer in die Verbrechen des NSU verstrickt als bisher angenommen.

Veröffentlicht Antifa Nr, 3 2016

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About Janka Kluge

Seit über vierzig Jahren bin ich in der antifaschistischen Bewegung aktiv. Es ist mittlerweile über dreißig Jahre her, dass ich einen ersten Vortrag über neonazistische Strukturen gehalten habe. Im Laufe der Zeit sind viele Vorträge, Reden auf Kundgebungen und Demonstrationen und Artikel zu dem Thema dazu gekommen. Die meisten davon habe ich in Zeitungen der VVN-BdA veröffentlicht. Im Freien Radio für Stuttgart arbeite ich seit über 25 Jahren mit. in der Folge sind an die 2000 Nachrichten- und Kultursendungen entstanden.