Paul Celan – Ein Porträt[1]

/ Veröffentlichungen

Paul Celan erblickte am 23. November 1920 unter dem Namen Paul Antschel  in der  Stadt Czernowitz, der Hauptstadt von Bukowina, das Licht der Welt. Die Stadt lag damals am Rande des rumänischen Königreichs. Heute gehört die Stadt zur Ukraine.  Seit Mitte des 18. Jahrhunderts wandelte sich Czernowitz von einem kleinen Städtchen in eine  Stadt mit einer blühenden Kultur. Ursprung der Entwicklung war der Zuzug vieler Juden aus Galizien, die in Bukowina Schutz fanden. Paul Celan besuchte zuerst die deutsche und später die jüdische Grundschule. Das Abitur absolvierte er 1938 auf dem Staatsgymnasium in Czernowitz. Für ein Medizinstudium zog der in die französische Stadt Tours, kehrte aber bereits nach einem Jahr wieder zurück nach Rumänien. Das Medizinstudium gab er zugunsten der Romanistik auf. Als im November 1940 die Sowjetunion Bukowina eingliederte, konnte er sein Studium fortsetzen. Die Situation für die jüdische Bevölkerung änderte sich schlagartig als die Wehrmacht, zusammen mit rumänischen Truppen, in Bukowina einmarschierten. Die jüdische Bevölkerung wurde in ein Ghetto gesperrt. 1942 wurden Paul Celans Eltern deportiert. Sein Vater musste zuerst in einem Steinbruch schuften, bis er in das Zwangsarbeitslager Michailowka in der Nähe von Hajssyn verschleppt wurde. Dort starb er nach wenigen Monaten an Typhus. Seine Mutter ist nach der Deportation erschossen worden.

Er selbst hat sich zum Arbeitsdienst gemeldet und dadurch die faschistische Herrschaft überlebt. Sein Leben lang wird ihn das Gefühl, seine Eltern allein gelassen zu haben, quälen. Psychologen prägen später dafür den Begriff der „Schuld der Überlebenden“. Für Paul Celan wird es der Antrieb seiner literarischen Arbeit sein, aber auch der Grund schwerer Depressionen, unter denen er gelitten hat.

Nachdem Czernowitz im August 1944 von sowjetischen Truppen befreit wurde, kehrte Paul Celan in die Stadt zurück. Er nahm sein Studium wieder auf, zog dann aber nach Bukarest. Neben dem Studium arbeitete er als Übersetzer und Lektor.

1947 floh Celan nach Wien, ließ sich dann ein Jahr später in Paris nieder. Hier lebte er bis zu seinem Tod. Im selben Jahr erschien auch sein erster Gedichtband „Der Sand aus den Urnen“. Wegen vieler Schreibfehler ließ Paul Celan die Ausgabe aber wieder einstampfen.

Zu den Höhepunkten in seinem Leben gehörte zweifelslos, dass er Ingeborg Bachmann kennengelernt hat. Ihre Liebe und spätere Freundschaft haben ihn über viele Jahre begleitet.

Paul Celan hat es der Fürsprache Ingeborg Bachmanns zu verdanken, dass er   im Mai 1952 zu einer Lesung der Gruppe 47 eingeladen wurde. Die Gruppe war maßgeblich am literarischen Neubeginn der jungen Bundesrepublik beteiligt. Auf den Treffen stellten angehende Autoren ihre Texte vor. Bei diesen Tagungen waren neben den Schriftstellern auch viele bedeutende Literaturkritiker anwesend. Für Paul Celan war die Lesung ein Desaster. Walter Jens erinnerte sich 1976 in einem Gespräch an die Lesung: „Als Celan zum ersten Mal auftrat, da sagte man: `Das kann doch niemand hören!´, er las sehr pathetisch. Wir haben darüber gelacht. (…) Die Todesfuge  war ja ein Reinfall in der Gruppe! Das war eine völlig andere Welt“[2]

In der Tat lagen Welten zwischen den meisten Anwesenden und Paul Celan. Er las seine Gedichte damals mit einer eher singenden Stimme. Er war einer der Überlebenden der Shoa und die meisten anderen waren als Jugendliche, oder junge Männer zur Wehrmacht eingezogen worden. Sie hatten zwar jedem Nationalismus abgeschworen und positionierten sich eher links, der Lesung Paul Celans konnten sie trotzdem nichts abgewinnen.

Trotzdem war die Lesung für Paul Celan ein wichtiger Schritt in seiner Karriere als Autor. Der ebenfalls anwesende Hauptlektor der Deutschen Verlags Anstalt (DVA) war von seinen Gedichten überzeugt und brachte noch im selben Jahr den Gedichtband „Mohn und Gedächtnis“ heraus. In diesem Buch ist auch die „Todesfuge“ veröffentlicht. Es ist das Gedicht für das Paul Celan später weltberühmt wurde. Der Satz aus der Todesfuge „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ wurde sogar zum geflügelten Wort für die faschistischen Verbrechen.

Wie sehr die öffentliche Auseinandersetzung über die „Todesfuge“ Paul Celan beschäftigt und verletzt hat, wird in einem Brief deutlich den er am 12.11.1959 an Ingeborg Bachmann geschrieben hat. „Du weisst auch – oder vielmehr: Du wusstest es einmal -,was ich in der Todesfuge zu sagen versucht habe. Du weisst – nein, Du wusstest – und so muss ich Dich jetzt daran erinnern -, dass die Todesfuge auch dies für mich ist: eine Grabschrift und ein Grab.“[3]

In den fünfziger Jahren beschäftigte sich Paul Celan immer wieder mit Friedrich Hölderlin. Im Rahmen dieser Beschäftigung las er auch Martin Heidegger, den ehemaligen Rektor der Freiburger Universität, der die Machtübertragung an Hitler begeistert gefeiert hat. Die Auseinandersetzung mit ihm führte sogar zu einem Treffen im Juli 1967 zwischen den beiden.

Nach dem Tod seines Freundes Ivan Goll hat die Witwe gegen Paul Celan Plagiatsvorwürfe erhoben. Obwohl die Vorwürfe entkräftet werden konnten, haben sie ihn schwer getroffen.

Der genaue Todestag von Paul Celan ist nicht bekannt. Allgemein wird angenommen, dass er am 20. April 1970 in Paris von einer Seine-Brücke sprang. Am 1. Mai 1970 wurde sein Leichnam gefunden.

Auf seinem Tisch lag eine aufgeschlagene Biografie über Hölderlin.[4] Auf der Seite zitiert der Autor Wilhelm Michel aus einem Brief von Clemens Brentano in dem er über Hölderlin schreibt: „Manchmal wird der Genius dunkel und versinkt in den bitteren Brunnen seines Herzens“.


[1] Das Porträt wurde in gekürzter Form in der Zeitschrift „Antifa“ Nr. 1 2021 veröffentlicht

[2] Zitiert nach Wikipedia „Paul Celan“ abgerufen am 4.1.2021

[3] „Herzzeit – Briefwechsel Ingeborg Bachmann –  Paul Celan“ Suhrkamp Verlag 2008, S. 127

[4] Der Literaturwissenschaftler Helmut Böttiger beschreibt die Szene in seinem Buch „Celans Zerrissenheit“ auf    Seite 102

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About Janka Kluge

Seit über vierzig Jahren bin ich in der antifaschistischen Bewegung aktiv. Es ist mittlerweile über dreißig Jahre her, dass ich einen ersten Vortrag über neonazistische Strukturen gehalten habe. Im Laufe der Zeit sind viele Vorträge, Reden auf Kundgebungen und Demonstrationen und Artikel zu dem Thema dazu gekommen. Die meisten davon habe ich in Zeitungen der VVN-BdA veröffentlicht. Im Freien Radio für Stuttgart arbeite ich seit über 25 Jahren mit. in der Folge sind an die 2000 Nachrichten- und Kultursendungen entstanden.