Von der Prüfung zum Verdachtsfall.
Update. Der Verfassungsschutz hat am 3. März 2021 die gesamte Partei zum Verdachtsfall erklärt.
Für die AfD geht es um viel. Sollte das Bundesamt für Verfassungsschutz zu dem Ergebnis kommen, dass die AfD bundesweit vom Prüffall zum Verdachtsfall eingestuft wird, kann der Geheimdienst die Partei mit geheimdienstlichen Mitteln beobachten. Es könnten leichter Telefongespräche abgehört und V-Menschen angeworben werden. Beamte, die in leitender Position in der AfD tätig sind, könnten wegen der Tätigkeit, nicht der Mitgliedschaft, disziplinarrechtliche Verfahren bekommen.
Nachdem Anfang Januar mehrere Zeitungen gemeldet haben, dass der Verfassungsschutz plane die gesamte AfD zum Verdachtsfall zu erklären, kündigte die Partei an dagegen zu klagen. Die Klageschrift wurde von der Kölner Kanzlei Höcker verfasst und eingereicht. Pikanterweise ist es die Kanzlei, bei der der frühere Präsident Hans-Georg Maaßen des Verfassungsschutzes nach seiner Entlassung, zu arbeiten angefangen hat. Erst nachdem verschiedene Medien die Verbindungen öffentlich gemacht haben, hat die Kanzlei in einer Stellungnahme bekannt gegeben, dass Maaßen nicht mehr für sie tätig ist. An der Klage die die Kanzlei im Namen der AfD eingereicht haben, dürfte er noch beteiligt gewesen sein. Obwohl das Verwaltungsgericht Köln die Klage der AfD abgewiesen hat und auch ein Eilantrag vor dem Oberverwaltungsgericht Münster nicht abgelehnt wurde, ist es interessant zu schauen, worauf sich die Klage der Kanzlei bezieht, da Maaßen den Verfassungsschutz und seine Strukturen kennt wie kaum ein anderer.
Zum einen soll dem Bundesamt für Verfassungsschutz untersagt werden, die AfD als Verdachtsfall einzustufen. Mit der Bezeichnung Verdachtsfall geht einher, dass ein großer Teil der Partei „gesichert rechtsextremistische Bestrebungen“ unterstützt. Als zweites will die AfD dem Verfassungsschutz verbieten lassen öffentlich zu verbreiten wie viele Mitglieder der sogenannte „Flügel“ hatte. Dabei kursiert seit langem die Zahl von 7000 Menschen. Bei einer Mitgliederzahl von 32 000, Stand Januar 2021, entspricht das etwas mehr als 20 Prozent.
Außerdem will die AfD dem Bundesamt für Verfassungsschutz verbieten lassen sich mit den Landesämtern über ihre Erkenntnis zur Partei auszutauschen. In einem Artikel über die Klage, zitiert der Juristische Newsletter „Legal Tribune Online“ aus der Klageschrift: „(…) die Klägerin als `Verdachtsfall einzuordnen, zu beobachten, zu behandeln, zu prüfen und / oder zu führen.“ Mit anderen Worten, die AfD will dem Verfassungsschutz verbieten lassen sich mit der Bundespartei überhaupt zu befassen.
Dabei werden Teile der AfD schon jetzt in ganz Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet. Bereits am 8. März 2019 teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz mit, dass die Jugendorganisation JA und der „Flügel“ zum Verdachtsfall erklärt werden. Als Folge drängte der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen darauf, dass sich der „Flügel“ auflöst. Im April 2020 hat sich der „Flügel“ dann offiziell aufgelöst. Er hat allerdings davor, und auch danach, gut mit Mitgliedern des Flügels zusammengearbeitet. Auch nach der angeblichen Selbstauflösung des rechtsextremen Flügels bieten viele seiner Mitglieder in führenden Stellungen in der Partei. Dieser Einfluss ist in den Landesverbänden aus dem Osten Deutschlands besonders groß. Seit 2020 ist die AfD in Thüringen und Brandenburg und Anfang 2021 in Sachsen und Sachsen-Anhalt zum Verdachtsfall erklärt worden.
Anfang Januar wurde dem Berliner Landesverband der AfD ein Gutachten des Berliner Verfassungsschutzes zugespielt. Darin hieß es sinngemäß, dass der Landesverband nicht als Verdachtsfall eingestuft werden kann, weil der Einfluss von „völkisch-nationalen Parteimitgliedern“ gering sei. Berlins Innensenator ließ darauf erklären, dass es sich nicht um den offiziellen Bericht handele, sondern um einen Zwischenbericht gehandelt habe.
Wie wichtig es für die AfD ist, nicht offiziell als rechtsextrem und nationalistisch bezeichnet zu werden zeigt auch eine Erklärung die beim Bundesparteitag in Kalkar im November letzten Jahres veröffentlicht wurde. Darin erklärte die AfD, dass man „alle Menschen als Deutsche betrachtet, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, unabhängig vom Zeitpunkt der Einbürgerung.“ Damit verabschiedet sich die AfD zumindest nach außen von der völkischen Definition von Volk, wonach nur Menschen Deutsche sein können, die hier geboren sind und deren Vorfahren ebenfalls aus Deutschland stammen. Obwohl die Erklärung von der gesamten Führung der AfD unterschrieben war ist es sehr fraglich, ob es mehr als ein taktischer Schachzug war.
Manchmal wird die Vermutung geäußert, dass die sich eher gemäßigte Menschen bei einer Beobachtung der AfD mit ihr solidarisieren könnten. Für die antifaschistische Auseinandersetzung mit der AfD sollte es völlig egal sein, wie der Verfassungsschutz die Partei einschätzt. Auch die angeblich gemäßigten Teile der Partei sind rassistisch und hetzen offen gegen Menschen, die nicht ihrem Weltbild entsprechen und wer sich mit ihnen solidarisiert, unterstützt RassistInnen.
Veröffentlicht in der antifa, Nr. 2 2011