Rede auf der Kundgebung gegen die „Demo für Alle“ am 21.6.2015 in Stuttgart

/ Reden

Liebe Antifaschisten, queere DemonstrantInnen, werte Passanten,

wir demonstrieren heute gegen die Kundgebung der sogenannten Bildungsplangegner. Sogenannt, weil sie eigentlich etwas anderes eint. Sie haben sich vorgenommen jegliche fortschrittlichen Errungenschaften der letzten 30 oder 40 Jahre zurückzunehmen.  Die Gesellschaft soll zurück in die 50er Jahre. Die Welt soll nach ihrer Auffassung wieder klar geregelt sein. Die Frage was ist eine Familie ist nur ein deutlicher Teil davon. Eine Familie besteht für sie nur aus einem Mann einer Frau und Kindern.

Homosexuelle Menschen gibt es zwar, aber sie sind nach ihrer Meinung krank und können dementsprechend therapiert und damit geheilt werden.

Die Äußerung wonach „Homosexuelle krank sind“ hat vor einigen Jahren das Argument dass Homosexualität  Sünde ist abgelöst.

Ausschlaggebend waren Versuche von evangelikalen Gruppen Homosexuelle von „ihrer Krankheit zu heilen“

Sie nehmen dabei nach wie vor auf die Bibel bezug wonach es in einer Stelle heißt, „dass der Mann sich nicht zum Mann, und die Frau nicht zur Frau legen“ solle.

Wie sehr solche kruden Gedanken in der Gesellschaft verankert sind machen Äußerungen von Dieter Blechschmidt deutlich. Er ist für die CDU Mitglied  des Gemeinderats von Plauen und schrieb 2012 auf seiner Seite auf Facebookseite:

„Natürlich können Schwule und Lesben zunächst mal nichts für ihre Krankheit und niemand darf sie dafür verurteilen, doch eine Krankheit sollte nicht zur gesellschaftlichen Normalität erhoben werden.“

Trotz dieser homophoben Ausfälle hat die CDU Plauen ihn nur wenige Wochen später erneute zum Kreisvorsitzenden gewählt.

Auch bei Stuttgart gibt es Gruppen, die die Heilung homosexueller Menschen in ihrem Programm haben

Er ist aber nicht das einzige CDU-Mitglied mit homophoben Ansichten.

Sven Heibel, Ortsbürgermeister von Herschbach im Westerwald forderte die Wiedereinführung des § 175. Er schrieb auf Facebook:

 „Vor 20 Jahren wurde die Strafbarkeit der Homosexualität, § 175 StGB, abgeschafft. Ich weiß nicht, ob das ein Grund zum Feiern ist. In einem Seminar fragte mich mein Strafrechtsprof mal, ob dies mein Ernst sei? Ich sagte natürlich: klar! – in meinem StGB immer noch vorhanden…und es bleibt es auch!“ 

Durch den § 175 wurden jahrzehntelang  schwule Männer verfolgt und viele von ihnen ins Gefängnis gesperrt.

Bereits beim Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuches am 1. Januar 1872 wurde der § 175 mit aufgenommen. Damit stand der Beischlaf von Männern unter Strafe. Die  Nationalsozialisten verschärften am 1. September den Paragraphen 175. war bis dahin eine maximale Haft von 6 Monaten das Strafmaß, konnten jetzt bis zu 5 Jahre verhängt werden. Wenn ein Mann bereits einschlägig bekannt war, konnte er nach der Haft zur Sicherheitsverwahrung in ein KZ gesperrt werden. Außerdem wurde als Ergänzung der § 175 a eingeführt. Damit wurden „beischlafähnliche Handlungen“ unter Strafe gestellt. Es genügte nun, wenn zwei Männer mit einander onanierten.

Nach der Befreiung vom Faschismus gab es für Deutschlands Homosexuelle nur geringfügige Erleichterungen.  Die Verschärfung des § 175 wurde nicht aufgehoben, geschweige denn der ganze Paragraph. Anders in der DDR. Dort wurde der Straftatbestand der Homosexualität vollkommen gestrichen. Es ging auch nie um den Schutz Minderjähriger, weil diese vorhandene Schutzbedürftigkeit über einen anderen Paragraphen geregelt wird.

Noch nach 1945 wurden Homosexuelle Männer verfolgt und wegen ihrer Orientierung ins Gefängnis geworfen. Sie wurden zum Teil von denselben Kripobeamten verhaftet und verhört wie im 3. Reich. Oft waren es auch dieselben Richter, die sie damals und jetzt verurteilten. Es war auch dasselbe Gebäude, in das sie zu Verhören gebracht wurden. Das Hotel Silber, war vor 1933 Sitz der Kripo und nach 1945 wieder. In den Jahren des Faschismus war hier die Gestapoleitstelle untergebracht. Auch die  Personenkartei mit Lichtbildern aus der Nazizeit wurde problemlos weitergeführt.

Es gibt viele Gründe gegen die homophobe Hetze auf die Straße zu gehen. Wir verteidigen unser Recht zu leben und zu lieben wie wir wollen und empfinden.

Vielen Dank

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About Janka Kluge

Seit über vierzig Jahren bin ich in der antifaschistischen Bewegung aktiv. Es ist mittlerweile über dreißig Jahre her, dass ich einen ersten Vortrag über neonazistische Strukturen gehalten habe. Im Laufe der Zeit sind viele Vorträge, Reden auf Kundgebungen und Demonstrationen und Artikel zu dem Thema dazu gekommen. Die meisten davon habe ich in Zeitungen der VVN-BdA veröffentlicht. Im Freien Radio für Stuttgart arbeite ich seit über 25 Jahren mit. in der Folge sind an die 2000 Nachrichten- und Kultursendungen entstanden.